23.09.2024, Herne - Mit etwa 60 Teilnehmenden stand am Montagabend die Frage, wie tief die Justiz in das Unrechtssystem des Nationalsozialismus verstrickt war und welche Parallelen sich zur heutigen Rechtsprechung ziehen lassen, im Zentrum.
Dirk Frenking, Richter am Oberlandesgericht und ehemaliger Leiter der Dokumentations- und Forschungsstelle „Justiz und Nationalsozialismus NRW“, eröffnete die Veranstaltung. Er erläuterte, wie der „Euthanasie-Erlass“ von 1939 zur systematischen Ermordung von Menschen führte, die als ‚lebensunwert’ galten. Dieses Programm, bekannt als „Aktion T4“, zielte auf die „Reinigung“ des sogenannten Volkskörpers ab. Frenking zeigte auf, dass Juristen diese Ideologie unterstützten und aktiv umsetzten.
Dirk Reitzig, Vorsitzender Richter am Landgericht und Leiter der Dokumentationsstelle, beschrieb, wie die Justiz im NS-Staat bereitwillig zum Instrument der Entrechtung und Vernichtung wurde. Reitzig führte das Beispiel des Preußischen Justizministers Hanns Kerrl an, der 1934 symbolisch einen Paragraphen am Galgen präsentierte, um zu verdeutlichen, dass die Rechtsstaatlichkeit der NS-Ideologie weichen musste. Dieser symbolische Akt steht sinnbildlich für die Zerstörung des Rechts in der NS-Zeit: Gesetz und Justiz waren in den Händen der nationalsozialistischen Machthaber zu bloßen Werkzeugen der Unterdrückung und Ausgrenzung geworden.
Reitzig betonte weiter, dass die Justiz nicht nur im Dritten Reich selbst, sondern bereits in der Weimarer Republik auf dem „rechten Auge blind“ war. Dies ermöglichte die nahtlose Gleichschaltung nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Diese Entwicklungen wirkten sich bis weit in die Zeit nach dem Krieg und die Gründung der Bundesrepublik hinein aus.
Die Veranstaltung endete mit einer lebhaften Diskussion und einem offenen Buffet.